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Zwischen Flucht und Präsenz: Wie Zukunftsangst unser Leben im Jetzt beeinflusst | Teil 1

  • Autorenbild: Chiara Polverini
    Chiara Polverini
  • 5. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

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Plötzlich nicht mehr fähig sein, Pläne zu machen. Bei jeder Verabredung, die mehr

als eine Woche in der Zukunft lag, das Gefühl zu haben, man würde sich

übernehmen denn „wer weiß, was bis dahin passiert“.


Angst ist ein zutiefst menschliches Gefühl – und doch bleibt sie oft im Schatten

unserer Aufmerksamkeit. Besonders die Angst vor der Zukunft ist ein Phänomen, das

viele Menschen betrifft, ohne dass sie es bewusst benennen. Sie zeigt sich nicht nur

in Sorgen um Job, Beziehungen oder Gesundheit, sondern auch in subtilen

Vermeidungsstrategien, die wir als „Achtsamkeit“ oder „Leben im Moment“ tarnen.

Was passiert im Gehirn bei Zukunftsangst?

Neurowissenschaftlich betrachtet ist Angst eine Reaktion des limbischen Systems,

insbesondere der Amygdala – dem „Alarmzentrum“ unseres Gehirns. Wenn wir an

eine ungewisse Zukunft denken, aktiviert die Amygdala Stressreaktionen, obwohl

keine reale Bedrohung vorliegt. Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen

tatsächlicher Gefahr und vorgestelltem Risiko. Es reagiert auf Gedanken wie: „Was,

wenn ich scheitere?“ oder „Was, wenn alles schlimmer wird?“ mit denselben

körperlichen Stresssymptomen wie bei realer Bedrohung.

Körperliche und alltägliche Symptome

Zukunftsangst äußert sich oft durch:

  • Schlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsprobleme

  • Muskelverspannungen, Herzklopfen, Atemnot

  • Grübelzwang, Entscheidungslähmung, Rückzug aus sozialen Situationen


Diese Symptome sind nicht nur belastend – sie beeinflussen auch unsere Fähigkeit,

aktiv zu gestalten und mutige Schritte zu gehen.

Ein persönliches Beispiel: Wenn Angst das Leben einfriert


Nehmen wir Anna, Mitte 40, die während der Pandemie begann, sich zunehmend

zurückzuziehen. Die Unsicherheit der Weltlage löste in ihr eine tiefe Angst aus – sie

hörte auf, Pläne zu machen, „wartete lieber ab“. Als zwei nahe Angehörige kurz

darauf verstarben, verstärkte sich ihr Gefühl, dass das Leben jederzeit kippen kann.

Jeder Kopfschmerz wurde zum potenziellen Symptom einer ernsten Krankheit. Statt

einen Urlaub zu buchen oder beruflich neue Wege zu gehen, entschied sie sich

immer wieder für das Abwarten. Das Leben im Jetzt wurde zur Strategie, um der

Zukunft auszuweichen.


Die Falle der Gegenwart: Wenn Achtsamkeit zur Ausrede wird

„Lebe im Hier und Jetzt“ – ein Satz, der in der Coaching-Welt oft als heilende Formel

gilt. Doch was, wenn das Leben im Moment zur Flucht wird? Wenn wir uns weigern,

Pläne zu machen, Ziele zu setzen oder Verantwortung für unsere Zukunft zu

übernehmen – nicht aus Gelassenheit, sondern aus Angst?

Die Vermeidung der Zukunft kann sich als spirituelle Haltung tarnen. Doch echte

Präsenz bedeutet nicht, die Zukunft zu ignorieren, sondern ihr mit Klarheit und Mut

zu begegnen. Zukunftsmut – ein Begriff aus der sozialwissenschaftlichen

Zukunftsforschung – beschreibt die Fähigkeit, trotz Unsicherheit aktiv zu gestalten.

Anna hat es inzwischen geschafft

Sie ist nicht diejenige, die all ihre Termine und Reisen ein Jahr im Voraus plant,

dennoch hat sie für sich einen Weg identifiziert, um mit leichterem Herzen in die

Zukunft zu schauen:


  • Sie spricht mit ihren Freund*innen offen über ihre Ängste – und hat dabei gemerkt, sie ist nicht die einzige, die damit zu kämpfen hat

  • Sie belohnt sich, wenn sie es geschafft hat, einen Schritt in die Zukunft zu wagen und genießt den dabei verspürten Glück

  • Sie schreibt viel, insbesondere wenn sie das Gefühl hat, die Angst wird stärker. Das hilft ihr zum einen, um das Gefühl in Worte zu fassen und zum anderen, um im Nachgang zu lesen, wie es dann "wieder gut geworden ist"

  • Wenn es ihr körperlich nicht gut geht, vermeidet sie, Dr. Google oder Miss ChatGPT zu fragen, sondern geht zum Arzt - dafür sind sie ja da!

  • Bei jeder Reise schließt sie eine Rücktrittversicherung ab – das gibt ihr ein gutes Gefühl und sie kann sich besser darauf einlassen

  • Sie versucht die Verabredungen so zu legen, dass sie in einem realistischen nahen Zeitrahmen sind

  • Sie hat akzeptiert, dass sie als Frau im mittleren Alter, emotionale Schwankungen als Teil der natürlichen Entwicklung annehmen darf.


Doch was haben Menschen, die keine Angst vor der Zukunft haben gemeinsam? Fortsetzung folgt.


 
 
 

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